Auf ihrem Weg in die Nordsee passiert die Weser das schöne Bremen. Mit einer Breite von teilweise über 250 Metern macht sie dabei Eindruck. Große Mengen Wasser führt sie täglich durch die Hansestadt. Im 21. Jahrhundert darauf zu wetten, dass dieser Strom hier im Winter zufriert, wirkt kurios, je nach Wetteinsatz auch waghalsig. Mindestens aber bedarf es einer Erklärung für solch ein Unterfangen. Im Falle der Bremer Eiswette ist die Erklärung tatsächlich kurios und außerdem nicht ganz neu. Ein kurzer Blick auf eine Tradition mit kühnen Einfällen, launigen Gesellen und – guten Weinen.
Beginnen wir bei den kühnen Einfällen. Es war der 8. November 1828 als sich 18 Bremer Herren aus gutem Hause nach dem Vorbild britischer Gentlemen´s Clubs zusammenfanden und sich eine Wette überlegten. Und zwar wetteten sie darum, ob sie die Weser am 4. Januar 1829 in fließender Bewegung oder zugefroren vorfänden. Ob der Fluss also »geiht« oder »steiht«. Der Wetteinsatz – was böte sich bei derart kalten Temperaturen besser an – war freilich ein Grünkohlessen mit allem, was dazugehört. Ob die Weser in jenem Jahr tatsächlich zufror oder munter floss, ist uns nicht bekannt. Überliefert ist jedoch, dass die Herren ihren Wetteinsatz noch am Tag der Eiswettprobe einlösten bzw. sich einverleibten und die Wette gleich für das Folgejahr erneuerten.
Es entwickelte sich aus dieser anfänglich kleinen Begebenheit am Weserufer im Laufe der Jahre eine große Show. Getragen von einem eigenen Eiswett-Verein und seinen Mitgliedern aus Bremer Reedern, Kaufleuten und Gästen aus aller Welt, bringt uns diese zu den launigen Gesellen.
Der Schneider muss hinüber…
Zum 100. Jubiläum der Bremer Eiswette wurde die Bedingung eingeführt, dass ein 99 Pfund schwerer Schneider samt glühendem Bügeleisen die Weser trockenen Fußes überqueren müsse. Andernfalls würde die Partei gewinnen, die auf »geiht« setzte. Und so finden sich seither zum Dreikönigstag am 6. Januar um Schlag 12 Uhr eine Vielzahl würdevoller Gestalten am Punkendeich ein, um den »korrekten« Ablauf der Wette zu gewährleisten.
Zunächst tritt der Zeremonienmeister in Erscheinung. Ihm folgen unter eifrigem Applaus des Publikums der Präsident der Eiswette und das Präsidium, welches gewissenhaft die Zylinder lupft. Nachdem auch die neu aufgenommenen Mitglieder der Eiswettgemeinschaft – die Novizen – angekommen sind, warten alle auf den Schneider…
…bei dem die Uhren traditionell anders ticken. Ist er endlich da, wird er zunächst – Ordnung muss sein – gewogen. Der Notarius Publicus überwacht, ob die vorgeschriebenen 99 Pfund tatsächlich eingehalten werden. Aber nicht nur hier bedarf es fachmännischer Aufsicht. Ob das Bügeleisen auch heiß ist, muss der Medicus Publicus prüfen – und wenn man ihn dazu zwingen muss…
Nach einigen scharfzüngigen Scharmützeln mit dem Präsidenten ist es für den Schneider schließlich an der Zeit. Er muss über die Weser. Um dabei nicht baden zu gehen, ist er auf die Hilfe eines Seenotkreuzers angewiesen. Seit 1947 ist der begradigte Strom nämlich nicht mehr zugefroren. Dass er es je wieder sein wird, scheint derzeit unwahrscheinlich.
Für den guten Zweck
Ist die Bremer Eiswette also ein bloßer, wenn auch stilvoller Klamauk? Mitnichten. Natürlich steht der Spaß bei diesem Großereignis an vorderster Front. Daneben dient es aber auch einem sehr edlen, wohltätigen Zweck. Denn nach der Eiswettprobe folgt das Eiswettfest, zu dem sich heute jährlich am dritten Samstag im Januar knapp 800 Herren im Congress Centrum Bremen einfinden. Einerseits wollen sie in großer, geschlossener Gesellschaft den Wettpreis verzehren. Andererseits sind sie aufgefordert, einen Betrag für die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) zu spenden.
Der Ablauf der Veranstaltung wird en détail geplant und vom Zeremonienmeister überwacht. Verdauen müssen die gut 300 Eiswett-Genossen, die je einen Gast mitbringen dürfen, sowie das Präsidium und die Ehrengäste nicht nur Grünkohl und Pinkel (für alle Nicht-Bremer: eine fettige, aber extrem gut schmeckende Grützwurst). Auch einige Reden prominenter Gäste werden traditionell serviert und mit Pointen garniert.
Sollte dem ein oder anderen Gast das Lachen doch einmal im Halse stecken bleiben, steht die Hilfe nur eine Armlänge entfernt. Denn das Eiswettfest wird stets von Weinen begleitet, die alles Gereichte sanft hinuntergeleiten und derentwegen allein eine Teilnahme erstrebenswert ist.
Ein deutscher Weißer und ein roter Bordeaux
Beim Wein verhält es sich nicht anders als mit den üblichen Gepflogenheiten der Bremer Eiswette: Tradition ist Tradition. Und diese sieht vor, dass auf der großen Festveranstaltung ein Weißwein aus Deutschland sowie ein Rotwein aus Bordeaux auf den Tisch kommen. Nur welche? Die Beantwortung dieser Frage wird selbstverständlich nicht einer x-beliebigen Person überlassen, die gerade die Weinabteilung im nächsten Supermarkt durchstreift. Im Gegenteil. Die Vorbereitungen für die Auswahl des kommenden Eiswettweins beginnen bereits im Herbst, wenn die um den Zuschlag eifernden Weinhändler ihren Kandidaten bestimmen.
Im Kaiserzimmer des Bremer Ratskellers trifft sich schließlich im November eines jeden Jahres das Eiswett-Präsidium höchstselbst zur Weinprobe. Lediglich Nummern zieren die Flaschen der eingereichten Weine, die nur von Bremer Weinhändlern stammen dürfen. Per Stimmzettel fällt sodann die erste Entscheidung. Die Präsidiumsmitglieder ermitteln die zwei beliebtesten Weine beider Farben. In einem weiteren Verkostungsdurchgang treten diese schließlich nochmal gegeneinander an. Der Notarius Publicus verkündet den finalen Sieger und proklamiert den Eiswettwein des kommenden Jahres.
Dass der Zuschlag für die Lieferung des Eiswettweins jedes Mal eine besondere Ehre für einen Weinhändler ist, brauchen wir angesichts der Tradition der Bremer Eiswette nicht nochmal unterstreichen. Im Jahr 2019 waren wir bereits auf dem Siegertreppchen für den Rotwein und auch in diesem Jahr haben wir es geschafft. Überzeugen Sie sich selbst vom Bremer Eiswettwein >>