Jeder Weinliebhaber kennt sie: diese speziellen Weine, die man mindestens einmal im Leben probiert haben muss. Aber er kennt auch sie: diese besonderen Weinregionen, die man unbedingt einmal gesehen haben muss …und gerochen, gespürt, geschmeckt, vor Ort, hautnah, in allen Facetten. Für mich gehören das Bordelais, die Champagne und Kalifornien auf diese Liste. Ganz oben aber stand bis vor kurzem die Toskana. Dort wollte ich hin. Im letzten Jahr war es endlich so weit. Mein Traum ging in Erfüllung…
Namenhafte Herkünfte wie Brunello di Montalcino, Chianti Classico oder Bolgheri locken Enthusiasten, Entdecker und Touristen jedes Jahr in die wunderschöne Gegend zwischen Pisa, Florenz und Grosseto. Allein die Vorstellung an zypressengesäumte Alleen und endlose, sanft hügelige Weinberge, hier und da unterbrochen von malerischen Dörfern, weckte meine Reiselust und begleitete meine Vorstellung der Toskana bis zur Ankunft.
Station 1: Tenuta Perano im Chianti Classico
Umso überraschter war ich dann auf meiner ersten Fahrt von Florenz mitten hinein ins Herz der Toskana, genauer in das Chianti Classico Gebiet. Zwar stehen Dörfer mit wohlklingenden Namen wie Greve oder Panzano in Chianti ganz im Zeichen des Weins, doch die Landschaft hier ist stark von Wäldern und Äckern geprägt. Weitläufige Rebgärten nehmen nur an begünstigten Stellen die Hauptrolle ein.
Mein erstes Ziel war die Tenuta Perano in der Gemeinde Gaiole. Erst seit 2017 gehört das Weingut zum Besitz der Familie Frescobaldi, die insgesamt sieben Weingüter in allen wichtigen Subregionen der Toskana besitzt. Dass die über 1000 Jahre alte Familie erst seit kurzem über ein Anwesen im berühmten Chianti Classico verfügt, mag zunächst verwundern. Doch die Frescobaldis warteten schon lange auf eine passende Gelegenheit für den Erwerb eines entsprechenden Weinguts. Bei der anmutigen Tenuta Perano ergab sie sich endlich.
Mitten durch die, wie ein Amphitheater angeordneten Weinberge, führt ein schmaler Weg zum Weingut. An der Eingangspforte empfängt mich der gut gelaunte Giacomo Fani. Giacomo koordiniert die Öffentlichkeitsarbeit im Hause Frescobaldi und hat sich heute Zeit genommen für eine Führung. Nach der herzlichen Begrüßung begleitet er mich zuerst durch die Weinberge und dann durch den Keller, in dem die noch jungen Chiantis heranreifen. Gleich drei unterschiedliche Qualitäten entstehen auf der Tenuta Perano, von denen ich im schmucken Verkostungsraum jeweils ins Glas geschenkt bekomme. Es ist ein fast feierlicher Moment der Vorfreude, diesen traditionsreichen Weintypus an seiner Geburtsstätte probieren zu dürfen.
Drei hochklassige Chiantis von der Tenuta Perano
Die Trauben für den Tenuta Perano Chianti Classico werden von Hand gelesen und nach strengen Kriterien selektiert. Nach der Vinifikation erfolgt ein zweijähriger Ausbau in Barriques, die dem Wein seine große Eleganz verleihen. Mir bereitet schon der Duft Vergnügen: Noten reifer Brombeeren, Himbeeren und der chianti-typischen Kirsche steigen aus dem Glas, begleitet von einer Spur aus Blätterwald und Holzwürze. Am Gaumen merke ich die charakteristische Säure, die den Wein auszeichnet, ihm Frische und Robustheit verleiht und zusammen mit den feinkörnigen Gerbstoffen ein hohes Alterungspotential verspricht. Mein Eindruck verfestigt sich schnell: ein sehr guter Tropfen, den ich in etwa fünf Jahren gerne noch einmal probiere…
Dem verheißungsvollen Start folgt direkt das nächste Highlight: die Tenuta Perano Chianti Classico Riserva. In puncto Entwicklungspotential legt sie gegenüber dem Vorgänger dank ihrer schon jetzt verblüffenden Geschmeidigkeit und enormen Präzision noch eine Schippe drauf. Zwei Jahrzehnte kann diese Riserva überdauern, ohne ihre Saftigkeit und Kraft einzubüßen. Ich habe beim Verkosten das Gefühl, tief in die Geschichte des Chiantis hineinzuschmecken. Edel, ausgewogen und zeitlos wirkt der Wein. Kaum zu glauben, dass die Frescobaldis ihn erst seit kurzer Zeit erzeugen.
Spielt in der fulminanten Chianti Classico Riserva der Merlot eine zweite, sehr harmonische Geige, so kehrt das Weingut beim Frescobaldi Perano Rialzi zum reinsortigen Ausbau der Sangiovese-Traube zurück. »Gran Selezione« steht auf dem Etikett. Und tatsächlich scheint hier nur das Beste vom Besten Eingang gefunden zu haben: Der Wein funkelt in dunkler, rubinroter Robe im Glas und lässt gar keinen Zweifel daran aufkommen, dass er in der höchsten Liga des Chianti Classico mitspielt. Drei natürliche Stufen im Weinberg Rialzi lassen Trauben mit herausragenden Qualitäten entstehen, die ich hier in einem von dunklen Beeren, schwarzem Pfeffer und balsamischen Noten geprägten Bukett wiederfinde. Reife, seidige Tannine und die leicht salzige Tönung am Gaumen werden von einer straffen Säure gehalten. Ein Wein, der bei aller Vornehmheit für große Spannung sorgt!
Mein Fazit in kurzen Worten: Die Tenuta Perano weiß zu beeindrucken – mit ihrer Lage, ihrem Anwesen und ihren Weinen.
Station 2: Tenuta dell‘ Ammiraglia in der Maremma
Beschwingt, fast ein wenig euphorisch ob dieses tollen Starts meiner Reise mache ich mich auf in den südlichsten Teil der Toskana. Die Maremma wartet! Auch hier betreiben die Frescobaldis ein Weingut, jedoch ganz anderer Art als die Tenuta Perano. Das Meer heißt mich willkommen…
Die Maremma bezeichnete ursprünglich ein Sumpfgebiet entlang der tyrrhenischen Küste, heute jedoch wird damit die südliche Toskana im Allgemeinen assoziiert. Das Klima hat sich auf der etwa zweistündigen Fahrt deutlich verändert. Es ist maritimer geworden und auch die Landschaft wird zur Küste hin flacher, wilder, unberührter. Sie glitzert, auch wenn mein Ziel noch gut 20 Kilometer hinter den Wellen liegt. In der Ferne erblicke ich ein stolzes Schiff, das zum Meer hinaus will: die Tenuta dell‘ Ammiraglia.
Auch die Tenuta dell‘ Ammiraglia ist ein noch junges Weingut der Frescobaldi-Familie. Das hochmoderne, fast futuristisch anmutende Kellereigebäude fügt sich perfekt in die Landschaft ein und bietet einen beeindruckenden Kontrast zur vorab besuchten Tenuta Perano. Giacomo ist schon vor Ort, als ich ankomme. Er lädt mich zu einer weiteren Gutbesichtigung ein, die mich fesselt. Vor allem die Aussicht über die leicht abfallenden Hügel sowie der den Wellen nachempfundene Barriquekeller haben es mir angetan. Und hier jetzt auch noch Wein probieren? Der Himmel meint es gut mit mir…
Supertoskaner und ein genialer Rosé
Bekannt geworden ist die Maremma vor allem für ihre kraftvoll-opulenten Supertoskaner, die vornehmlich aus internationalen Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah gekeltert werden. Dass die Maremma aber auch anders kann und wunderbar filigrane, frische Tropfen hervorbringt, wird mir klar, sobald ich den ersten Wein im Glas koste. Der Frescobaldi Alìe Rosé ist ein rosaschimmerndes Kunststück und genau der richtige Wein für laue Sommerabende. Die grazilen Zitrus- und Melonennoten von der weißen Vermentino-Traube hat das Kellereiteam mit den rotfruchtigen, an Sauerkirsche anklingenden Aromen des Syrah vermählt. Hinter der feinen Frucht tauchen zudem eine Mineralität und Tiefe auf, die diesen Rosé weit wegrücken von ähnlich schimmernden Mainstreamprodukten. Ein Volltreffer!
Das Erbe der Supertoskaner schmecke ich anschließend im Terre More: Merlot, Cabernet Franc, Syrah und Cabernet Sauvignon sind in ihm zu einem komplexen, vielschichtigen Rotwein assembliert. 12 Monate gönnt der Kellermeister dem Wein in Barriques. Grüßt hier etwa das Bordelais? Ja und nein. Natürlich kann die Cuvée diesen Impuls nicht leugnen, zeigt sie doch die Struktur und Eleganz feiner Bordeaux-Weine. Doch die Frucht ist etwas heller, klingt an Himbeere, rote Johannisbeere und Hagebutte an. Blumige Noten und eine zarte Vanillenote gesellen sich ebenfalls dazu. Ich schmecke die Natur der Maremma, mild-mediterran und dennoch wild.
Mein Fazit steht: Die Tenuta dell‘ Ammiraglia wird ihrem Namen auf jeden Fall gerecht. »Ammiraglia« bedeutet »Flaggschiff« und ein solches segeln die Frescobaldis mit diesem Gut sehr galant durch die Weinwelt. Hier manifestiert sich die Vielfalt der Toskana sowie ihrer Weinstile, welche die Frescobaldis in ihrem großen Sortiment abbilden.
Station 3: Castel Giocondo in Montalcino
Am Abend noch fahre ich wieder zurück gen Norden in die zweite große Herkunftsregion der Toskana. Begleitet von einem hollywoodreifen Sonnenuntergang geht es vorbei an Zypressen, Weingütern und Weinbergen immer höher und schließlich hinauf zum Castel Giocondo in Montalcino. Das Anwesen liegt auf einer Anhöhe mit einem atemberaubenden Blick über die Gegend. Dort genieße ich die letzten Sonnenstrahlen eines ereignisreichen Tages bei einem Glas des grandiosen CastelGiocondo Brunello di Montalcino. Es ist einer dieser Momente, in denen ich nur genieße. Was mir der Wein im Detail verrät? Darum kümmere ich mich morgen…
Der Brunello gehört zweifellos zu den berühmtesten Rotweinen Italiens, wenn nicht gar der ganzen Weinwelt. Seinen Ruhm verdankt er einem Sangiovese-Klon, den Ferruccio Biondi-Santi 1888 erstmals selektierte. Bis heute wird der Brunello reinsortig aus Sangiovese-Trauben dieses Typs gekeltert und zwar ausschließlich in der Gemeinde Montalcino. Das Gebiet erhielt 1980 als erstes den Status einer DOCG, der höchsten italienischen Qualitätsstufe. Zwei Jahre Reife im Eichenfass und vier Monate auf der Flasche sind Pflicht für den Brunello. Bei der Riserva kommen mindestens zwei Monate Flaschenreife hinzu. So weit die Fakten…
Am nächsten Morgen holt mich Teresa Giannelli ab und wir besichtigten die Weinberge und den Keller von Castel Giocondo. Wieder bietet sich mir ein starker Kontrast zu den vorher besuchten Weingütern: Noch über dem Weingut liegt die altehrwürdige und namensgebende Burg, die im Jahr 1100 zur Verteidigung der Straße nach Siena errichtet wurde. Ein historischer Schauplatz – wie das Weingut selbst. Seit Ende des 18. Jahrhunderts wird hier der Brunello produziert. Er profitiert dabei von den regionalen Bodenbeschaffenheiten, denn ton- und kalkhaltige Böden wechseln sich hier mit Mergel und Sand ab. Die Reben wachsen nur langsam. Das sind beste Bedingungen für die Erzeugung großer Weine.
Spitzenqualitäten aus dem Brunello-Gebiet
Ich lasse den gestrigen Eindruck noch einmal Revue passieren: Der CastelGiocondo Brunello di Montalcino, also der Klassiker des Hauses, reift insgesamt drei Jahre im Holz. Im Geschmack präsentiert er sich erstaunlich frisch und unglaublich tief und komplex. Die aromatische Palette reicht von Cassis, Brombeere und Kirsche hin zu Lakritze, Tabak und Veilchen. Auch ein Spur Mokka kann ich entdecken. Alles in allem sagenhaft. Dazu kommt eine Finesse und Langlebigkeit, die mich nur noch staunen lässt: Zwei, vielleicht sogar drei Jahrzehnte kann dieser Rotwein problemlos altern.
Am nächsten Mittag probiere ich zunächst den »kleinen Bruder« des Brunello. Im Glas funkelt der Campo ai Sassi. Die Reben, die das Traubengut für diesen Rotwein liefern, sind etwas jünger als die des Brunello di Montalcino. Auch der Ausbau im Holz fällt mit 12 Monaten etwas kürzer aus. Trotzdem zeigt dieser Rotwein eine reifte, satte Fruchtanlage sowie Noten von Tabak und Mineralien, die ihn unverwechselbar machen. Ein Wein, der gerade mit Blick auf den Preis ein Top-Tipp ist!
Auch in Italien sind aller guten Dinge drei. Wobei: Die CastelGiocondo Ripe al Convento Riserva schlicht als »gut« zu bezeichnen, fände ich dann doch arg untertrieben. Von diesem Wein bin ich bis heute hin und weg. Vorab: Jede einzelne Beere für diesen Wein wird vor der Verarbeitung manuell geprüft! Das Ergebnis dieses Aufwands ist nicht minder beeindruckend: Ein Potpourri roter und schwarzer Früchte, feiner Zartbitterschokolade, duftenden Unterholzes, weichen Leders und feinwürziger Noten vereinigt sich hier zu einem grandiosen Geschmack, der unendlich lang am Gaumen steht. Ganz klar: Das ist einer dieser Weine, für die ich mich auf in die Toskana gemacht habe. Ein Prunkstück der Frescobaldi-Dynastie sowie ganz sicher der gesamten Toskana. Und ein grandioses Finale einer tollen Weinreise!
Die Weingüter von Frescobaldi bei Ludwig von Kapff entdecken
Nach diesem letzten Halt geht es für mich bereits zurück nach Deutschland. Doch die Toskana und die Weingüter der Familie Frescobaldi werden mich mit ihrer riesigen Bandbreite an Weinen, Philosophien und Stilen definitiv bald wieder sehen. Denn zum Glück gibt es hier noch weitere Weingüter wie die Tenuta Rèmole, das Castello di Pomino, das Castello di Nippozzano oder die Tenuta di Castiglioni zu entdecken. Ich lade Sie ein, in unserem Webshop dasselbe zu tun. Es lohnt sich!