Die Weinsprache ist nicht nur für die meisten Konsumenten unverständlich. Auch die, die beruflich mit Wein zu tun haben, sprechen oft unterschiedliche Sprachen und verstehen sich häufig nicht. Ähnlich wie der Begriff »Terroir« hat auch die in jüngster Zeit immer häufiger zu hörende Beschreibung »mineralisch« einen erheblichen Beitrag zur steigenden Verwirrung beigetragen. Was bedeutet denn nun Mineralität?
Um es vorwegzunehmen – dieser Begriff ist nicht zufriedenstellend zu definieren. Nicht einmal dem Duden fällt dazu etwas ein. Nur so viel: Das Wort Mineralien stammt vom lateinischen »minera«, das Erzbergwerk. »Mineralisch« bedeutet »Mineralien enthaltend«. Das trifft auf jeden Wein zu, und zwar in einer Menge, wie sie handelsübliche Mineralwässer enthalten (in der Summe 1,5 bis 3 g/l).
Der Boden hat es in sich…
Mineralstoffe sind zunächst einmal anorganische Pflanzennährstoffe, also Ionen, die die Rebe (wie übrigens auch der Mensch) zum Leben benötigt und die sie sich mit Hilfe des Wassers über ihre Wurzeln aus dem Boden holt. Die wichtigsten Nährstoffe sind Phosphor (P), Kalium (K) und Stickstoff (N). Diese kommen in normalerweise ausreichenden Mengen meist in Form der Nährsalze Nitrat, Phosphat und Sulfat in fast jedem Boden vor.
Der Stickstoff (N) ist eine Ausnahme, da er ein Gas unserer Atmosphäre und kein Mineralstoff aus verwittertem Gestein ist. Er kann aber von der Pflanze nicht aus der Luft aufgenommen werden, sondern ebenfalls nur über die Wurzeln zusammen mit Wasser als Nitrat-Ion (NO3-), das in der Regel aus organischer Masse (zum Beispiel aus Stallmist oder Pflanzenresten, also Humus) stammt. Stickstoff wird in der Pflanze für Aminosäuren, Proteine (Eiweiß) und Nukleinsäuren (Genom) benötigt.
Weitere Mineralstoffe sind Kalzium (Ca), Magnesium (Mg) und Natrium (Na). Dazu kommen Spurenelemente wie Bor und Silizium, Metalle wie Eisen und Kupfer sowie Ultraspurenelemente wie Aluminium, Barium, Mangan, Strontium, Vanadium und Zink.
Mineralität – ein Wort macht Karriere
Mineralität ist ein Begriff der Weinsprache, der bei den Erzeugern Frankreichs schon sehr lange zum Standardvokabular gehört. In Deutschlands Technikerkreisen wurde er noch vor wenigen Jahren nicht sehr häufig gebraucht. Unter den Weinfreaks hat dieses Wort aber eine große Karriere gemacht. Von einer Önologin eines französischen Biodynamie-Betriebs stammt folgende Beschreibung:
»Mit Mineralität beschreibe ich drei Gerüche: 1. Feuerstein / Silex / feuchte Kiesel, 2. Jod / Austernschale / Meer und 3. Lakritz / Süßholz.«
Französische Önologin
Andere Weinverkoster beschreiben alles als »mineralisch«, was nach ihrem Empfinden nicht fruchtig, vegetabil / blumig oder würzig / geröstet ist. Sie gehen also quasi nach dem Ausschlussverfahren vor. In einer Veröffentlichung aus der Schweiz habe ich folgende Definition gefunden:
»Nichts ist faszinierender als ein 20-jähriger Chasselas oder ein ebenso alter weißer Burgunder: Ihre Primär- und Sekundäraromen haben sich verflüchtigt, und an ihre Stelle sind die Tertiäraromen getreten – diejenigen der Mineralität eben.«
Diesen Ansatz wollen wir nicht weiterverfolgen, sondern gehen einmal davon aus, dass mit der »Mineralität« in Geruch und Geschmack eines Weins der Einfluss der in ihm enthaltenen Mineralstoffe gemeint ist, so wie es sich ein Laie vielleicht vorstellt. Mineralien haben etwas mit Gestein zu tun. Insofern wäre die Bezeichnung treffend, wenn das Bukett an feuchte Kiesel oder Feuerstein erinnert. Andererseits sind Mineralstoffe, auch Mineralsalze genannt, mit dem Geruchssinn nicht wahrnehmbar. Sonst ließen sich verschiedene Mineralwässer sehr leicht am Geruch unterscheiden.
Zur Beziehung von Geschmack und Boden
Der Begriff Mineralität wird auch dafür gebraucht, eine angebliche Beziehung zwischen Weingeschmack und Boden herzustellen. Nur: Außer den mächtigen Schieferschichten an Rhein und Mosel, dem Löss am Kaiserstuhl oder der Kreide in der Champagne stehen Reben nur ganz selten auf völlig reinen Bodentypen. In Europa handelt es sich fast immer um Verwitterungs- oder Sedimentböden von sehr heterogener Zusammensetzung, die eine eindeutige Zuordnung völlig unmöglich macht. Der Einfluss der Rebsorte und der Hefen ist zweifelsfrei wesentlich prägender für den späteren Weingeschmack, als es die vergleichsweise geringen Mineralstoffgehalte jemals sein könnten. Zumal ja die von der Rebe aufgenommenen Mineralien nur zum geringsten Teil in die Trauben eingelagert werden und somit im Traubensaft und schließlich im Wein landen.
Die Erfahrung lehrt, dass fälschlicherweise als »mineralisch« beschriebene Weine manchmal Einflüsse von Brettanomyces-Hefen zeigen (das gibt es auch bei Weißweinen, wenn sie schwefelarm sind oder im Holz gelagert wurden), eine leichte Sauerstoffbelastung oder Alterungserscheinungen aufweisen oder phenolisch geprägt sind, also schmeckbar Bitterstoffe enthalten. Manche Verkoster identifizieren auch pyrazinische Noten, also die Geruchskomponenten unreifer Paprika, als Mineralität.
Unser Autor:
Klaus Herrmann
Önologe
Leitung WEIN+MARKT /
Director of Publication Fachverlag Dr. Fraund
WEIN + MARKT Das Wirtschaftsmagazin für Handel und Erzeuger
www.wein-und-markt.de
Bildtext: Betrachtet man die Werte etwas genauer, stellt sich heraus: Wein ist eigentlich das »beste Mineralwasser«.