Punkte, die die Weinwelt spalten
Die Weinwelt ist für fast alle wie ein Ausflug in ein unbekanntes Land, allerdings ohne jegliche Karte als Orientierungshilfe. Deshalb gehen wir meist der Nase nach und greifen zu, wenn uns das Etikett gefällt.
Deshalb ist es durchaus legitim, sich dem ein oder anderen Profi bzw. Weinkritiker und dessen Bewertungssystem anzuvertrauen. Nur stellt das bereits die nächste Herausforderung dar, denn welcher Weinkritiker ist kompetenter bzw. objektiver und welches Bewertungssystem besser als ein anderes?
Fragen über Fragen, die man als Weintrinker einmal beantwortet bekommen soll.
Das internationale Standard-Schema ist das 100-Punkte-System, welches seinen Weg aus den USA in die restliche Weinwelt fand. Der Ursprung ist auf das Notensystem der amerikanischen High-School zurückzuführen und wurde vor allem durch den Weinkritiker schlechthin – Robert M. Parker – bekannt.
Jeder Wein bekommt 50 Punkte, solange er sensorisch fehlerfrei ist, ansonsten fällt er durch die sensorische Prüfung, welche sich nach den Kriterien Aussehen, Geruch, Geschmack und Harmonie/Gesamteindruck richtet.
Robert M. Parker (The Wine Advocate)
Der wohl bekannteste Weinkritiker ist der US-Amerikaner Robert M. Parker. 1975 begann der damals 28-Jährige, neben seiner Arbeit als Rechtsanwalt, seine verbraucherorientierten Weinkritiken zu verfassen. Zusätzlich gründete der studierte Kunstwissenschaftler die Weinfachzeitschrift „The Wine Advocate“, welche heutzutage wahrscheinlich den meisten Einfluss auf das Verhalten der Konsumenten ausübt.
Sein 100-Punkte-System ist recht einfach erklärt: 70-80 Punkte zeichnen das Segment des unauffälligen Mittelfelds bis hin zu gelungenen Weinen aus. Ab 86 Punkten wird es so langsam interessant und 90-96 Punkte sind bereits Weine der Oberliga. Die magischen 100 Punkte vergibt der frankophile Kritiker jedoch sehr selten und auch nur an Weine, die seiner Meinung nach den Status einer Legende erreichen werden.
- 80 – 89 Punkte: überdurchschnittlich bis sehr gut
- 90 – 95 Punkte: hervorragend
- 96 – 100 Punkte: außerordentlich
In unserem 90er Club finden Sie eine Ansammlung herausragende Weine.
Jancis Robinson
Nicht nur der weibliche Gegenpart von Robert M. Parker, die erste „Master of Wine“ und weltbekannte Weinkritikerin, sondern auch Autorin der wohl ausführlichsten Wein-Enzyklopädie „The Oxford Companion to Wine“ ist Jancis Robinson.
Auch bei ihr war das Jahr 1975 das Startjahr, um über Wein zu schreiben, denn die damals 25-jährige Ikone wurde Redakteurin beim britischen Magazin „Wine & Spirits“.
Ihr Bewertungssystem unterscheidet sich ein wenig zu dem üblichen 100-Punkte-System, denn sie nutzt eine 20-Punkte-Skala.
- 16 – sticht aus der Masse heraus
- 17 – ausgezeichnet
- 18 – besser als ausgezeichnet
- 19 – Spitzenklasse
- 20 – Ausnahmewein
Die britische Kritikerin und Wein-Journalistin bewertet durchaus streng, wobei sie nur sehr selten die Höchstzahl vergibt. Alle Weine ab 16 Punkten sind es aber definitiv Wert, mindestens einmal verkostet zu werden.
James Suckling
Die Erfolgsgeschichte eines der einflussreichsten Weinkritiker der Welt und des ehemals wichtigsten Verkosters und Autor des Magazins „Wine Spectator“ startete schon mit jungen 23 Jahren bei eben genannter Weinfachzeitschrift. Der amerikanische Journalist bereiste intensiv die Weinbaugebiete Europas, besuchte spannende Weingüter und spezialisierte sich auf Frankreich, Italien und auf Portwein.
Wie fast alle amerikanischen Weinkritiker bewertet auch er im 100-Punkte-System. Die Bedeutung seiner Kritiken reicht definitiv an die von Robert M. Parker heran und punktet er einmal sehr hoch, sind die Weine – meistens aus Bordeaux, der Toskana und dem Piemont – schnell ausverkauft. Er und seine großartigen Mitarbeiter wie z.B. der bekannte Stuart Pigott, legen bei ihren Bewertungen mehr Wert auf das Mundgefühl als auf das Bouquet (auch Bukett) des Weines. Er selbst meint zu seinem Bewertungssystem: Weine, die er mit 90 und mehr Punkten bewertet, kann man bedenkenlos kaufen, die trinke er selbst auch recht gerne. Alle Weine mit mehr als 95 Punkten sind „Must-Buy’s“.
Der folgende Wein ist ein würdiges Beispiele aus unserem hoch prämierten Sortiment:
2018 Rothschild Escudo Rojo Gran Reserva Cuvée – Unser Wein des Jahres (93 Punkte)
2018 VIÑA COBOS »FELINO« CHARDONNAY (93 Punkte)
The Wine Spectator
Bereits 1976 erschien die erste Ausgabe des heute international renommierten Magazins „The Wine Spectator“ und gehört mittlerweile nicht nur zu den Klassikern in der Wein-Szene, sondern auch mit zu der weltweit bekanntesten Quelle für Weinbewertungen. Das Magazin veröffentlicht neben Bewertungen von Weinen auch ganze Berichte über Regionen oder Jahrgänge verschiedener Weinbaugebiete. Es wird nach dem bekannten 100-Punkte-Schema bewertet und zwar von einem international renommierten Weinkritiker-Team, welches fast 30 Jahre von James Suckling unterstützt wurde.
Jährlich werden rund 15 Ausgaben publiziert mit jeweils bis zu 1.000 Verkostungsnotizen.
- 85 – 89 Punkte: sehr gute Weine
- 90 – 94 Punkte: außergewöhnliche Weine mit perfektem Charakter und Stil
- 95 – 100 Punkte: großartige Weine
Nachfolgend finden Sie einen Wein, der als großartiger Wein ausgezeichnet wurde:
2015 Bouchard Père & Fils Clos Vougeot Grand Cru (95 Punkte)
Gault Millau
Gault Millau ist den meisten wahrscheinlich eher als einer der einflussreichsten Restaurantführer bekannt. Dennoch gibt es seit 1993 auch einen jährlich erscheinenden „Weinguide Deutschland“, der von Fachleuten wie Master of Wine, Weinfachverständige und ausgezeichneten Sommelièren geführt wird. Hinzu kommt, dass der Weinguide nicht nur einzelne Weine sondern auch die besten Winzer Deutschlands, die Aufsteiger und Entdeckungen des Jahres auszeichnet.
Die Weine werden nach dem Bewertungssystem der 100 Punkte beurteilt und die Gesamtleistungen eines Weinguts oder herausragende Persönlichkeiten werden mit bis zu fünf Trauben bewertet.
Verkostet werden aktuell mehr als 12.000 Weine von über 1.000 deutschen Weingütern, Kellereien und Genossenschaften. Also handelt es sich hierbei um eine echte deutsche Weinbibel, die man immer griffbereit haben sollte.
- 85 – 89 Punkte: sehr gute, harmonische Weine, die in der Regel fein altern und ein exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis haben
- 90 – 94 Punkte: Weine exzellenter Qualität, die über ein beachtliches Reifungspotenzial verfügen
- 95 – 99 Punkte: überragende Weine aus großen Jahrgängen mit enormem Entwicklungspotenzial
- 100 Punkte: perfekte Weine
- 3 Trauben: sehr gute Erzeuger mit konstanter Qualität
- 4 Trauben: Exzellente Weinerzeuger Deutschlands
- 5 Trauben: die Höchstnote für weltbeste Weinerzeuger
Weingüter:
Weingut Robert Weil (5/5 Trauben)
Eichelmann
Auf Grundlage der internationalen 100-Punkte-Skala erscheint einmal im Jahr das Standardwerk des deutschen Weinkritikers Gerhard Eichelmann: „Eichelmann Deutschlands Weine“. Er bietet allen Interessierten einen Einblick in Deutschlands Weinbaugebiete und veröffentlicht Portraits zu den jeweils besten Erzeugern der Region mit Weinkritiken. Hier wird das Augenmerk nicht auf die einzelnen Weine gelegt, sondern auf das ganze Sortiment eines Weinguts und es wird in Folge einer Blindverkostung beurteilt (im Gegensatz zu Gault Millau). Die Leistung der Weingüter wird auch hier nicht mit dem 100-Punkte-Schema bewertet, sondern es werden 1-5 Sterne verliehen.
Weingüter:
Weingut Franz Keller (5/5 Sterne)
Weingut Leitz (5/5 Sterne)
Falstaff
Auch beim österreichischen Wein- und Gourmet-Magazin werden die Weine und die Gesamtleistung der Weingüter getrennt nach dem 100-Punkte bzw. dem 5-Stere-Schema bewertet. Es werden Weine aus der gesamten Welt verkostet, aber der Schwerpunkt liegt immer noch auf europäischen Weinen. Erfreulich ist die Tatsache, dass die Weinfreunde unter uns auf mehr als 18.000 Weinkritiken und Verkostungsnotizen auf der Homepage zurückgreifen können.
- 80 – 89 Punkte: gute bis sehr gute Weine
- 90 – 95 Punkte: hervorragende Weine
- 96 – 100 Punkte: außergewöhnliche Weine
Weine:
2014 Paul Hobbs Beckstoffer To Kalon Cabernet Sauvignon (100 Punkte)
2019 Wohlmuth Gelber Muskateller Ried Steinriegl (92 – 94 Punkte)
Wine Enthusiast
Angefangen als Projekt eines Händlers für Weinaccessoires, erscheint das Magazin „Wine Enthusiast“ heute mit einer Auflage von 500.000 Exemplaren, um Weinliebhaber auf der ganzen Welt zu erreichen. Das Magazin hat zwar seinen Ursprung in den USA, widmet sich aber den Weinen des gesamten Globus. Hierfür kommen geschulte Verkoster der ganzen Welt zusammen, um Weine aller Preisklassen und Kontinente zu degustieren. Beachtlich dabei ist die Herangehensweise: es werden keine Rankings etc. erstellt, sondern umfassend und detailliert auf die jeweilige Weinbauregion und deren Landschaft eingegangen. Auch hier wird das mittlerweile bekannte 100-Punkte-Schema für die Blindverkostung eingesetzt, welches jedoch ein paar kleine Unterschiede aufweist, die den Vergleich zu anderen Kritikern wiederum erschweren.
- 83 – 86 Punkte: gute Alltagsweine, oft gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
- 87 – 89 Punkte: sehr gute Weine, oft mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis
- 90 – 93 Punkte: Exzellenter Wein
- 94 – 97 Punkte: Superber Wein
- 98 – 100 Punkte: Klassiker, der Gipfel der Qualität
Weine:
2016 Château de Haute-Serre Grand Vin (92 Punkte)
2019 Birgit Eichinger Grüner Veltliner Strass (90 Punkte)
Decanter
Das wichtigste Wein-Magazin der britischen Insel ist definitiv der „Decanter“. Um die monatliche Veröffentlichung in über 90 Ländern zu ermöglichen, wird das Magazin von renommierten Kritikern, bekannten Autoren und Masters of Wine wie Jancis Robinson unterstützt und nutzt neben dem 20-Punkte auch das 100-Punkte-Schema.
Da sich hier das Thema ausschließlich um Wein dreht, ist es wohl das Fach-Magazin schlechthin. Neben Weinbewertungen und Kaufempfehlungen, werden verschiedene Weinreisen angeboten und Weinbaugebiete vorgestellt.
Positiv zu erwähnen sind die Tipps für Endverbraucher, wie sie ihre eigenen Sinne schärfen können, um Weine selbst beurteilen bzw. Weinkritiken nachvollziehen zu können.
International begehrt sind zugleich die „Decanter Wine Awards“, bei denen die begehrten Bronze-, Silber und Goldmedaillen vergeben werden und die „Regional“ bzw. „International Trophy“ verliehen wird.
Weine:
2015 Château Haut-Brion (99 Punkte)
2015 Château Grand Puy Lacoste (94 Punkte)
Mundus Vini
Hier sieht das alles ein bisschen anders aus. Die internationale Mundus Vini Akademie und der deutsche Meininger Verlag, vergeben einmal im Jahr ihren Weinpreis. Die Grundlage für jede Bewertungs-Kommission ist das bewährte 100-Punkte-Schema mit den Kriterien Aussehen, Geruch, Geschmack und Harmonie/Gesamteindruck. Insgesamt verkosten rund 180 nationale und internationale Fachkräfte (Weinhändler, Einkäufer, Önologen, Weinanalytiker, Sommelières und Fachjournalisten) zwei Wochen lang über 6.000 Weine.
Zu den Medaillen werden noch Sonderpreise verliehen, wie der „Importeur des Jahres“ und „Erzeuger des Jahres“.
- Silber: mind. 85 Punkte (sehr gute Weine)
- Gold: mind. 90 Punkte (exzellente Weine von besonderer Güte)
- Großes Gold: mind. 95 Punkte (absolute Spitzenweine)
Berliner Wein Trophy
Unter der Schirmherrschaft des OIV (Internationale Organisation für Wein und Rebe) entwickelte sich dieser Prämierung in den letzten Jahren zu einer Säule der internationalen Weinprämierungen. Auch hier verkosten 120 Jury-Mitglieder, in kleineren Gruppen, Weine aus diversen Weinbaugebieten weltweit. Alles was den Verkostern bekannt ist, ist der Jahrgang des Produktes.
- Silber: mind. 82 – 84 Punkte
- Gold: mind. 85 – 91 Punkte
- Großes Gold: mind. 92 Punkte
Vielleicht sind wir jetzt ein wenig schlauer als zu Beginn des Artikels, aber am Ende zählt nur eins: der Wein muss schmecken und gefallen. Natürlich geben die Bewertungen renommierter Weinkritiker wertvolle Hinweise über die Qualität eines Weines, allerdings wies schon Jancis Robinson in einem Ihrer Bücher darauf hin, sein eigenes Geschmacksempfinden nicht von noch so namhaften Kritikern beeinflussen zu lassen.
Alle Weine mit mehr als 90 Punkten finden Sie in unserem „90er Club“.
In diesem Sinne: lassen Sie es sich einfach schmecken!