Es gibt nicht viele Süßwein-Appellationen auf der Welt. Sauternes ist sicherlich die bekannteste. Die Region umfasst ca. 1700 Hektar Rebfläche, die ebenfalls berühmte Nachbargemeinde Barsac etwa 600 Hektar. Warum ausgerechnet in diesen beiden, wie Enklaven im Gebiet Graves liegenden Gebieten solch ein feiner Süßwein entsteht, ist sowohl dem Boden als auch dem besonderen Mikroklima zu verdanken.
Der Boden besteht aus Kies mit Anteilen von Kalk und Mergel. Auf ihm fühlen sich die weißen Rebsorten Sauvignon Blanc, Sémillon und Muscadelle besonders wohl. Dass die Trauben der Rebstöcke im Herbst von dem Edelschimmelpilz Botrytis Cinerea befallen werden, ist wiederum dem kleinen Fluss Ciron zu verdanken. Dieser bringt kaltes Quellwasser in die wärmere und größere Garonne und verursacht dabei den Nebel, der für die Bildung des Pilzes so wichtig ist. Ob die Edelfäule entsteht oder nicht, ist also stark wetterbedingt und bedeutet ein durchaus risikoreiches Unterfangen für die Winzer.
Setzt die Edelfäule ein, dann perforieren die Enzyme des Pilzes die Beerenhäute. Das Wasser in den Beeren verdunstet allmählich, während sich Inhaltsstoffe stark konzentrieren. Die Trauben rosinieren förmlich und werden sodann in mehreren Durchgängen über einen Zeitraum von bis zu zwei Monaten hinweg gelesen. Nur unbeschädigte und stark vertrocknete Trauben werden für die Weinbereitung ausgewählt. Der Aufwand ist hoch, die Erntemenge gering, doch gehen aus dem Lesegut einige der hochwertigsten Weine der Welt hervor.
Um den einzigartigen Geschmack eines Sauternes kennenzulernen, muss man nicht gleich mit Château d’Yquem, dem einzigen Premier Cru Classé Supérieur im ganzen Bordelais, beginnen. Auch die 1855 als Premier Cru Classé und Deuxième Cru Classé eingestuften Weingüter produzieren echte Perlen, die die unnachahmliche Fülle und Komplexität der bisweilen sirupartigen Süßweine besitzen. Zu ihnen gehören Château Coutet und Château Guiraud, deren Weine mit perfekter Süße-Säure-Balance und einem verführerischen Spiel aus tropischen, kandierten Früchten und süßlichen Gewürzen zum Genießen einladen, ja wenn nicht gar nötigen.