Vegane Weine
Mehr Tier als gedacht – die Weinerzeugung unter der Lupe
Seit 2012 ist das Lebensmittelrecht ein wenig Veganer-freundlicher geworden. So müssen alle Produkte, die mit Milch- oder Ei bearbeitet wurden, einen Allergikerhinweis tragen. Und dies gilt auch für Wein. Aber Moment, Milch und Ei im Wein? Sicher, dass hier nicht eigentlich Eierlikör & Co. gemeint sind?
Die traditionelle Weinherstellung und das dazugehörige Lebensmittelrecht kennt und erlaubt eine Vielzahl an Hilfsstoffen, die durchaus auch tierischen Ursprungs sein dürfen. Ein wahrer Klassiker ist die Gelatine, durch die (vornehmlich rote) Weinerzeugnisse geklärt werden, um anschließend geschliffen und facettenreich im Glas zu landen.
Noch bekannter ist die sogenannte Hausenblase. Dabei handelt es sich ursprünglich um die Schwimmblase des Störs, der normalerweise den luxuriösen Beluga-Kaviar liefert. Da der Fisch jedoch vom Aussterben bedroht ist, werden heute meist andere Fischblasen unter diesem Namen angeboten. Ähnlich wie die Gelatine ist die Hausenblase dazu gedacht, Wein zu schönen.
Schönen klingt indes wie eine nachträgliche Korrektur des Weins, und im Grunde ist es das auch: Die Hausenblase hilft dabei, Trüb- und Schwebstoffe zu binden und zu filtern. Denn wer würde einen Wein genießen wollen, der wolkig und mit undefinierten Partikeln ins Glas kommt? Das Schönen ist freilich keine neue Erfindung und allgemein anerkannt. Das Problem für Veganer: Eine Kennzeichnungspflicht für die verwendeten Hilfsmittel Fischblase oder Gelatine besteht nicht.
Damit der Wein nicht nur klar, sondern auch mit der richtigen Farbe ins Glas kommt, korrigiert das Milcheiweiß Kasein eventuelle Farbstiche. Und damit ein Rotwein weniger gerbstoffintensiv über den Gaumen rollt, werden manchmal ein bis drei Eiklar-Einheiten je 100 Liter Wein eingesetzt. Da darin enthaltene Lysozym sorgt gleich noch dafür, dass ein spontaner Säureabbau verhindert wird.
Trotz aller Ursprünglichkeit ist moderner Wein mehr oder weniger ein handwerkliches Hi-Tech-Produkt, das durch viele Arbeitsschritte entsteht, bei denen tierische Produkte traditionell eine Rolle spielen. Und damit wären wir beim Dilemma, dem sich Weinerzeuger und Konsumenten gleichsam gegenüber sehen: Soll man auf tierische Produkte verzichten und dadurch den Charakter des Weins verändern? Soll man an der Tradition festhalten? Und vor allem: Geht es eigentlich auch anders? Veganer Wein bei Ludwig von Kapff beweist: Es geht. Allerdings weder von heute auf morgen noch einfach nebenbei.
Veganer Wein: Was macht er anders?
Schon Gummitierchen zeigen, dass Gelatine oder besser gesagt: deren Eigenschaften durchaus auch in der pflanzlichen Variante funktioniert. Apfelpektine oder andere Geliermittel besitzen fast die gleichen Filterfähigkeiten wie das Produkt aus Knochenmehl.
Lieblingshilfsmittel veganer Weinerzeuger ist Bentonit, eine vulkanische Mineralerde, die eine Weintrübung verhindert. Und die allseits bekannte Aktivkohle nimmt sich eventueller Farb-, Geschmacks- oder Geruchsfehler an. Ähnlich wie bei Filtern in Staubsaugern hilft sie auf sehr natürliche Art, den Most schon im Vorfeld zu klären.
Wenn das aber alles so einfach ist, warum nutzen nicht alle Winzer und Winemaker diese pflanzlichen Produkte und warum ist dann nicht bereits die gesamte Weinwirtschaft ein einziger veganer Wirtschaftszweig?
Zunächst einmal: Der Anteil veganer Weine wächst und wächst. Die Veränderung ist also in vollem Gange. Allerdings ist die Abkehr vom gewohnten Verfahren auch ein Risiko für jeden Winemaker, denn: Aktivkohle ist eben nicht das Gleiche wie eine Fischblase, Apfelpektin ist kein Knochenmehl. Die vegane Erzeugung hat also in jedem Fall einen Einfluss auf den Wein, der in die Flasche kommt. Und dieses Ergebnis muss der Winemaker zunächst kennenlernen und danach fein austarieren.
Veganer Wein: Chance oder Risikio?
Jeder Winemaker der Welt braucht zwei Dinge: Erfahrung und Wissen (Sorgfalt und Leidenschaft werden sowieso vorausgesetzt). Wer bisher ausschließlich mit tierischen Produkten gearbeitet hat, braucht also sowohl neues Wissen über die pflanzlichen Alternativen als auch Erfahrung mit den neu justierten Verfahren. Das benötigt Zeit – nicht nur für die Reife, sondern auch im Prozess an sich. Denn pflanzliche Hilfsmittel arbeiten meist langsamer. Dieses ganze Paket wiederum sorgt dafür, dass der Wein am Ende tatsächlich einen etwas anderen Charakter hat und sich so völlig neu positioniert.
Vegane Weine sind manchmal ein wenig kantiger als ihre herkömmlich produzierten Kollegen. Aber! Ein veganer Wein spiegelt fast ungeschminkt das Terroir wider und ist damit stets eine Auszeichnung für die handwerklichen Fähigkeiten eines Hauses. Noch ein Aber! Es gibt mehr veganen Wein als manche Genießer denken. Doch dazu später mehr.
Veganer Wein und die Sache mit dem Selbstbewusstsein
Bis vor wenigen Jahren war alles, was bio oder vegan war, immer noch mit einer Aura von Körnermümmlern und minderer Qualität umgeben. Oder anders: In den Augen vieler Kunden hieß vegan oder bio automatisch schlechter. Doch viele genossen (und genießen) bereits seit vielen Jahren Wein, der auf ökologische Weise erzeugt wird und vegan ist. Doch die großen Erzeuger ließen (und lassen) genau aus den eben gesagten Gründen diesen Umstand unerwähnt.
Der Wandel in der Gesellschaft hat dazu beigetragen, dass sich diese Erzeuger – und mit ihnen viele junge Häuser – nun aus der Deckung wagen und selbstbewusst ihre Weine mit den bekannten Siegeln versehen lassen. Zugegeben, ein wenig Trend und Marketing sind schon dabei, allerdings stehen die Chancen recht gut, dass veganer Wein zur fest etablierten Größe in der Weinwelt wird. Warum auch nicht?
Wer produziert eigentlich veganen Wein?
Ein Blick in die Erzeugerliste für veganen Wein bei Ludwig von Kapff bringt Neulinge in Sachen tierlose Weine oft ins Staunen: Hier tummeln sich nicht nur alle bekannten Weinregionen der Welt. Mit großen Namen wie Charles Heidsieck in Sachen Champagner, Vinhos Sogrape als portugiesische Weinsupermacht oder Peter Lehmann als australisches Idol stehen auch ausnahmslose Publikums- und Kritikerlieblinge für veganen Wein. Wie ist das möglich?
Ganz einfach: Jeder Jahrgang, jede Ernte ist anders. Und gerade die besonders gefeierten Weinerzeuger nehmen sich diese Individualität zu Herzen. So kann es sein, dass ein bestimmter Jahrgang vollständig vegan erzeugt wird, eben weil der Wein und das eigene Qualitätsverständnis es verlangen. Darum wird wenig Aufhebens gemacht und Kunden (oder Weinhandelshäuser) erfahren nur auf Nachfrage, welcher Wein in welchem Jahrgang vegan ist.
Dann gibt es noch Weinhäuser, die sich ganz und gar und selbstbewusst der biologischen Weinerzeugung und den veganen Weinen verschrieben haben. Apropos: Bio ist nicht unbedingt vegan, das Fairtrade-Siegel hat damit ebenfalls fast gar nichts zu tun. Vegane Kunden sollten also stets genau hinschauen.
Unter den Ländern mit der höchsten Dichte an Bio-Weingütern und veganen Weinen nehmen die DACH-Nationen eine Vorreiterrolle ein. Deutschland und Österreich weisen eine ungewöhnlich große Anzahl an veganen Weinhäusern auf, was durchaus auch dem durchschlagenden Erfolg des Vegan-Trends in diesen Ländern zuzurechnen ist.
Aber auch die großen Weinnationen Frankreich und Italien sind nicht zu unterschätzen, wobei hier auch die sehr strengen Regeln für DOC(G)- beziehungsweise Cru-Klassifizierungen eine Rolle spielen. Relativ junge Weinbaugebiete – zumindest, wenn es um das internationale Renommee geht – sind ein wahrer Tummelplatz für alle möglichen Weinstile und alternative Kellermethoden und werden in Sachen veganer Wein immer attraktiver und variantenreicher. Darum lohnt stets ein Blick nach Übersee.
Kann man veganem Wein vertrauen?
Angenommen, ein großer Erzeuger ist nicht dezidiert als veganer Weinproduzent ausgezeichnet, jedoch werden einige Jahrgänge als vegan deklariert: Kann man als Kunde diesem Urteil vertrauen? Die Welt veganer Weine mit der entsprechenden Zertifizierung ist noch relativ jung, weshalb viele Kunden zu Recht etwas verwirrt und verunsichert sind.
Wenn bei Ludwig von Kapff ein Wein als vegan deklariert ist, dann kommt diese Information nicht nur aus dem Pressebüro des Hauses: Zu allen Partnern bestehen persönliche und langjährige Kontakte, der Weg von der Rebe in die Flasche wird stets vor Ort in Augenschein genommen. Gerade diese Ortsbesichtigungen machen einen vertrauenswürdigen Weinhändler aus – vor allem dann, wenn wie im Falle veganer Wein offizielle Siegel mit gesetzlicher Durchschlagskraft bisher fehlen.
Sollte die Tendenz zu veganem Wein anhalten, werden sich die Kontroll- und Zertifizierungsmethoden garantiert noch verbessern und der Weingenießer erhält einen viel besseren Überblick über das tatsächliche Angebot. Bis dahin allerdings muss zu großen Teilen auf die Expertise etablierter Handelshäuser vertrauen. Oder eben selbst ganz genau nachfragen.
Kostet veganer Wein mehr?
Zum Abschluss soll auch die oft leidige Preisfrage geklärt werden. Denn auch hier gehen Wahrnehmung und Wirklichkeit mitunter weit auseinander. Es mag vielleicht so sein, dass für manche vegane Lebensmittel in spezialisierten Supermärkten mehr gezahlt werden muss als für ähnliche Produkte herkömmlicher Provenienz. Hier gibt es jedoch feine Abstufungen und diese Frage muss für jedes Produkt stets beantwortet werden.
Bei veganem Wein allerdings stellt sich diese Frage praktisch nie. Denn erstens richtet sich die Preispolitik sowieso nach der Güte des Weins – ganz gleich, ob Rot- oder Weißwein, ob 2011er oder 2015er. Zweitens führt eine vegane Produktion oder die Umstellung des Betriebs nicht unbedingt zu höheren Kosten, schließlich bleibt der lange Weg des Weins und der Qualitätsanspruch unverändert detailreich und hoch. Deshalb finden sich im Angebot von Ludwig von Kapff sowohl gefällige und äußerst preisbewusste als auch ausnehmend wertvolle vegane Weine.
So könnte das Fazit für veganen Wein lauten: Es ist nichts Neues, nur bisher hat niemand darüber geredet. Doch das wird sich nun nach und nach ändern.